Beitrag von Museumsdirektorin Dr. Carmen Reichert
Ein Jahr ist vergangen, seit die Terroristen der Hamas nach Israel eindrangen und frühmorgens die Menschen in ihren Dörfern sowie die Tanzenden beim Feiern auf dem Nova-Festival überfielen. Vorbei ist der 7. Oktober auch ein Jahr später nicht. Noch immer sind 101 Menschen in der Gewalt der Hamas und wir wissen nicht, wie viele von ihnen noch leben. Talia Berman, die Mutter der Zwillinge Ziv und Gali Berman, hat im Januar in der Augsburger Synagoge von dem Tag berichtet, der ihr Paradies, ihren Kibbutz Kfar Azza, in eine Hölle verwandelte. Sie, ihre Schwester und ihr ältester Sohn, die gerettet wurden, sind unter anderem nach Augsburg gekommen, um zu berichten – in der Hoffnung, dass öffentlicher Druck einen weiteren Austausch von Geiseln gegen Gefangene befördern könnte.
Ziv und Gali sind deutsche Staatsbürger – und leidenschaftliche Fußballspieler. Ihr Großvater hat uns davon berichtet. Auch Hersh Goldberg-Polin hat sich für Fußball begeistert. Seine Mutter Rachel Goldberg-Polin traf auch US-Präsident Joe Biden und den Papst, um für die Freilassung ihres Sohnes zu kämpfen. Die Hamas hat Staatsbürger vieler Nationen in ihrer Gewalt. Wie kann es sein, dass es einer internationalen Gemeinschaft bis heute nicht gelungen ist, ihre Leute aus den Händen der Terroristen zu befreien?
Seit dem Besuch von Talia Berman sind viele Monate vergangen. Noch immer sind große Teile Israels, die Dörfer rund um den Gaza-Streifen, aber auch der Norden quasi unbewohnbar. Israel führt nun an sieben Fronten Krieg. Der 7. Oktober hat nicht nur Israel radikal und für immer verändert. Jüdische Menschen weltweit sind von einem rasanten Anstieg des Antisemitismus bedroht.
Das Jüdische Museum Augsburg Schwaben versteht das als Auftrag, unsere Arbeit weiterzumachen und zu intensivieren. Bisher war Israel kein Schwerpunkt unseres Programms, weil wir ein regionales Museum sind. Nachdem der Konflikt im Nahen Osten aber Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft und in Augsburg hat, hat der 7. Oktober auch das verändert. Wir sehen unsere Aufgabe vor allem darin, zu erklären, was der 7. Oktober 2023 – der sogenannte Schwarze Schabbat – und alles, was seither infolgedessen passiert, für die jüdische Gemeinschaft weltweit bedeutet. Deshalb haben wir beispielsweise die Autoren Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman eingeladen, von ihren Erlebnissen in Israel und in Europa nach dem 7. Oktober zu berichten – und die Erziehungswissenschaftlerin Sandra Anusiewicz, darüber zu reflektieren, was er für die Arbeit mit Jugendlichen und für den interreligiösen Dialog bedeutet.
Von Ziv und Gali fehlt weiter jede Spur. Talia Berman schreibt uns, sie will auch nach einem Jahr des Bangens die Hoffnung nicht aufgeben. Wir hoffen mit ihr – für ihre Söhne, für Israel und für die jüdische Gemeinschaft hier in Augsburg und auf der Welt.