Herkunft
Henry Stern wurde am 11. Dezember 1927 als Heinz Markus Stern in Augsburg geboren. Sein älterer Bruder Fred kam am 2. August 1924 als Manfred Stern zur Welt. Die Geschwister lebten mit ihren Eltern Justin (1885 – 1949) und Erna Stern, geb. Nussbaum (1897 – 1978) in der Mozartstraße 7.
Justin Stern diente als Soldat im Ersten Weltkrieg. Dafür wurde er mit dem Militärverdienstorden und dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach dem Krieg verdiente er seinen Lebensunterhalt als Handelsvertreter für Zigaretten und Zigarren.
Kindheit in Augsburg
In Augsburg lebten viele Verwandte der Sterns, mit denen sie in engem Kontakt standen. So unternahmen Heinz und Manfred Stern viel mit ihren Cousinen Margot und Trude Herrmann. Die Familie führte ein traditionelles jüdisches Leben. Das Einhalten des Schabbats und der jüdischen Feiertage war für sie selbstverständlich. Zum Laubhüttenfest fuhren die Sterns nach Fischach, wo Verwandte jedes Jahr eine besonders schöne Laubhütte aufstellten, die heute als Exponat im Israel Museum in Jerusalem zu sehen ist.
Ausgrenzung und Verfolgung nach 1933
Manfred Stern besuchte seit 1930 die St. Ulrich-Schule und wechselte dann auf die Städtische Handelsschule in der Jesuitengasse. 1934 wurde Heinz Stern ebenfalls in der St. Ulrich-Schule eingeschult und wie sein älterer Bruder mit dem Antisemitismus seiner Lehrer und Mitschüler konfrontiert. Auch außerhalb der Schule bekamen die Geschwister den Judenhass immer deutlicher zu spüren. So wurden Heinz und seine Mutter von Jugendlichen beim Einkaufen mit Steinen beworfen.
Die zunehmende Ausgrenzung machte der Familie deutlich, dass sie Deutschland rasch verlassen musste. Doch die Ausreisenummer für die USA, die sie 1938 erhielt, war mit einer jahrelangen Wartezeit verbunden. Wenig später wurde Justin Stern im Zuge des Novemberpogroms von der Gestapo verhaftet und zusammen mit anderen jüdischen Männern aus Augsburg in das KZ Dachau gebracht, wo er einen Monat in Haft blieb.
Nach dem Pogrom durften Manfred und Heinz Stern nicht mehr in ihre Schulen gehen. Sie nahmen fortan an dem Unterricht teil, den die jüdische Gemeinde in der Synagoge in der Halderstraße für ihre jungen Mitglieder organisiert hatte.

Weg in die Emigration
Statt in die USA versuchten die Sterns nun, sich nach Großbritannien in Sicherheit zu bringen. Die erhofften britischen Visa wurden ihnen im Juli 1939 erteilt. Zur Sicherheit hatten Justin und Erna Stern ihren älteren Sohn auch für einen »Kindertransport« nach Großbritannien angemeldet.
Als sein Name im Juli 1939 aufgerufen wurde, schickten sie ihn nach London voraus. Kurze Zeit später war die Familie in der britischen Hauptstadt wieder vereint. Im Mai 1940 konnte die Familie schließlich in die USA weiterreisen. Justins Brüder Max und Jacob Stern befanden sich bereits mit ihren Familien in New York, was die Eingewöhnung erleichterte.
Neuanfang in den USA
Die Familie Stern lebte, wie viele deutsche Emigrantinnen und Emigranten, im New Yorker Stadtteil Washington Heights. Justin Stern arbeitete als Hausierer, Erna Stern als Putzfrau und Fred Stern war in einer Werkzeugfabrik tätig. Auch der zwölfjährige Heinz Stern, der sich in Henry umbenannt hatte, half nach der Schule in einer Drogerie aus, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Die Familie erwarb rasch die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Fred Stern absolvierte nach seiner schulischen Ausbildung ein Literaturstudium. 1969 machte er sich mit einer Werbeagentur selbstständig, für die er viele Geschäftsreisen nach Deutschland unternahm. Gleichzeitig gründete er mit seiner Frau Rachel eine eigene Familie. Die beiden bekamen 1972 eine Tochter und 1973 einen Sohn. In seiner Freizeit verfasste Fred Stern Gedichte. Im Ruhestand gab er zwei Gedichtbände heraus. Fred Stern starb am 18. Januar 2014.
Henry Stern absolvierte eine Ausbildung als Elektroniker sowie ein Betriebswirtschaftsstudium. Nach einiger Zeit machte er sich ebenfalls selbstständig und gründete eine Ausbildungsschule für Elektroniker und Computertechniker. 1982 heiratete er Adele Lowinson (geb. 1941), mit der er noch immer in Washington Heights lebt.
An eine Rückkehr nach Deutschland hat in der Familie Stern niemand gedacht. Zu schwer wogen die Erfahrungen der Vertreibung und der Verlust ihrer Verwandten. Justin Sterns Schwester Cilly Herrmann wurde mit ihrem Mann Josef und ihren Töchtern Margot und Trude 1942 von Augsburg nach Piaski deportiert und ermordet.
Zeitzeuge bei den LEBENSLINIEN
Henry Stern war 2013 im Zeitzeugenprojekt »LEBENSLINIEN. Deutsch-jüdische Familiengeschichten« zu Gast. Zu seiner Lebens- und Familiengeschichte erschien in der gleichnamigen Reihe der Katalog:
Benigna Schönhagen, »… und dann heißt’s Abschied nehmen aus Augsburg und Deutschland.« Der Weg der Familie Stern aus Augsburg, Augsburg, 2013.
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