Frühneuzeitlicher hebräischer Druck wieder in Augsburg

Nach über 480 Jahren ist ein Druck des hebräischen und jiddischen Buchdruckers Chaim Schwarz nach Augsburg zurückgekehrt. Das Buch „Arba’a Turim“ wurde in der Zeit um 1540 in Augsburg gedruckt – eine Sensation, denn eigentlich gab es in dieser Zeit kein jüdisches Leben in Augsburg. Jüdinnen und Juden war zwischen der Vertreibung 1438 und dem Beginn der Wiederansiedlung ab 1803 über Jahrhunderte die Niederlassung in der Stadt verboten.

„Dass es Chaim Schwarz gelungen ist, sich zumindest für einige Zeit in Augsburg aufzuhalten und einige der wichtigsten frühneuzeitlichen hebräischen und jiddischen Bücher in unserer Stadt zu drucken, ist fast ein Wunder“, erklärt Museumsdirektorin Carmen Reichert. „Ein Wunder, dass sich jedoch mit der Geschichte Augsburgs als Reformationsstadt erklären lässt: Während der Reformation kehrte man zu den biblischen Texten in den Originalsprachen, also Hebräisch und Griechisch zurück. Daher brauchte man hebräische Drucklettern und einen Drucker, der damit umgehen konnte.“

Der Buchdrucker Chaim Schwarz stammte aus Prag, einem damaligen Zentrum hebräischen Buchdrucks. Über Breslau kam er etwa um 1533 in Augsburg an und hielt sich vermutlich bis 1544 hier auf, bevor er nach Ichenhausen in Schwaben weiterzog. In Augsburg entstanden einige der wichtigsten hebräischen und jiddischen Buchdrucke der Zeit: unter anderem zwei der ältesten gedruckten jiddischen Erzählungen, außerdem hebräische Gebetbücher – und der Druck „Arba‘a Turim“, der nun nach Augsburg zurückgekehrt ist.

Der „Arba’a Turim“ ist ein halachischer Kodex und stammt von Jakob ben Asher. Der Titel bedeutet übersetzt „vier Säulen“ oder „vier Reihen“. Das in vier Teile gegliederte Werk kommentiert Themen, die für die in der Diaspora, d.h. auf der ganzen Welt verstreuten jüdischen Gemeinden von großer Relevanz waren: Jüdische Feiertage und Gebete, die jüdischen Speisegesetze, jüdisches Eherecht und jüdisches Zivil- und Kriminalrecht.

Das Buch ist ein großartiges Dokument Augsburger Geschichte – aus Chaim Schwarz Druckpresse stammen die ersten im heutigen Deutschland bekannten hebräischen Drucke. Zudem markiert es einen religiösen Meilenstein, denn „Arba’a Turim“ war eine wichtige Grundlage der später entstandenen und bis heute maßgeblichen Gesetzessammlung „Schulchan aruch“.

Der Augsburger Humanist Konrad Peutinger beauftragte den Reformator Bonifatius Wolfart mit der Prüfung der Drucke von Chaim Schwarz. Wolfart und Schwarz scheinen ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt zu haben, allen Vorbehalten Juden gegenüber in dieser Zeit zum Trotz.

Dank einer großzügigen privaten Spende konnte das Jüdische Museum Augsburg Schwaben den Druck zum Jahresende 2022 erwerben. Carmen Reichert brachte es im April 2023 von Israel zurück nach Augsburg. Nach der bevorstehenden Sanierung des Synagogengebäudes soll das Buch ein wesentlicher Teil der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums Augsburg Schwaben werden.

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